Der Artikel der Bild-Zeitung vom 21.02.2025 über deutsche Rentner in Pattaya zeigt exemplarisch viele Merkmale der typischen Berichterstattung dieses Mediums: reißerisch, vereinfachend und stark auf Emotionen abzielend. Eine kritische Analyse offenbart mehrere problematische Aspekte, insbesondere in Bezug auf einseitige Darstellung, Klischees und die Bedienung von Vorurteilen gegenüber deutschen Expats.
1. Einseitige Berichterstattung
Der Artikel fokussiert sich ausschließlich auf eine kleine Gruppe deutscher Rentner in Pattaya und deren politische Meinungen, die überwiegend negativ gegenüber Deutschland und Migranten gezeichnet sind. Es wird suggeriert, dass diese Haltung repräsentativ für die etwa 7000 deutschen Rentner in Pattaya sei, obwohl keine belastbaren Daten oder eine breitere Befragung angeführt werden. Die Auswahl der Interviewpartner – Melanie, Horst, Rainer, Karl-Heinz, Siggi – scheint bewusst auf Personen mit ähnlichen, rechtspopulistischen Ansichten abzuzielen. Gegenstimmen, wie die von Heike und Heiko, werden nur am Rande erwähnt und als wenig relevant abgetan, da sie „nur zu Besuch“ sind. Diese selektive Darstellung verstärkt den Eindruck, dass die deutschen Expats in Pattaya homogen denken, was statistisch unwahrscheinlich ist und journalistisch fragwürdig wirkt.
2. Klischees und Stereotype
Der Text bedient zahlreiche Klischees über deutsche Rentner im Ausland: Sonne, Strand, billiges Bier und ein sorgenfreies Leben fernab der deutschen Probleme. Pattaya wird als „Thailands Ballermann“ bezeichnet, eine Anspielung auf Mallorca, die sofort Assoziationen von Party-Tourismus und Oberflächlichkeit weckt. Die Rentner werden als abgekoppelt von der deutschen Realität dargestellt – „Deutschland? Ganz weit weg“ – und ihr Lebensstil als egoistisch und hedonistisch gezeichnet („am Strand liegen, das nächste Glas bestellen“). Dies entspricht einem gängigen Vorurteil über Expats: Sie verlassen Deutschland, um sich den Herausforderungen der Heimat zu entziehen, und schimpfen dennoch über sie. Der Artikel hinterfragt nicht, warum diese Menschen tatsächlich ausgewandert sind – etwa aus finanziellen Gründen oder aufgrund von Lebensqualität –, sondern reduziert ihre Motive auf einfache Karikaturen.
3. Vorurteile gegenüber Expats
Die Darstellung der Rentner als wütend, fremdenfeindlich und politisch radikalisiert (AfD, CDU als „Reinigungskraft“) spielt mit dem Stereotyp des verbitterten Auswanderers, der zwar im Ausland lebt, aber die Heimatpolitik lautstark kritisiert. Besonders auffällig ist die Ironie, die der Artikel zwar andeutet („damit meint sie nicht die so vielen deutschen Rentner am Thailand-Strand“), aber nicht konsequent ausarbeitet: Die Rentner werden als Gäste in Thailand gezeigt, die über „Gäste“ in Deutschland schimpfen – ein Widerspruch, der unreflektiert bleibt. Stattdessen wird die fremdenfeindliche Haltung der Interviewten unkommentiert stehen gelassen, was den Eindruck erweckt, dass diese Ansichten legitim oder zumindest nachvollziehbar seien. Dies ist ein klassischer Trick der Bild: Emotionale Aussagen werden präsentiert, ohne sie journalistisch einzuordnen oder kritisch zu hinterfragen.
4. Sensationalismus statt Substanz
Der Artikel verzichtet auf jegliche Tiefe oder Kontextualisierung. Statt die Lebensrealität der Rentner in Pattaya differenziert zu beleuchten – etwa die wirtschaftlichen Zwänge, die viele zur Auswanderung treiben, oder die Herausforderungen der Integration vor Ort – bleibt er an der Oberfläche: Hitze, Bier, Wut. Die Bundestagswahl dient lediglich als Aufhänger, um die Ressentiments der Befragten zu präsentieren, ohne deren politische Präferenzen (AfD, CDU, „Blau wie Schalke“) mit den tatsächlichen Programmen der Parteien zu verknüpfen. Die Berichterstattung wirkt dadurch weniger informativ als vielmehr darauf ausgelegt, die Leserschaft emotional aufzustacheln.
5. Sprache und Ton
Die Sprache ist bewusst umgangssprachlich und polemisch („harte Euros“, „die ganze Scheiße vergessen“, „sauber machen“), um Nähe zur Zielgruppe der Bild zu schaffen. Gleichzeitig verstärkt sie die Stereotype, indem sie die Rentner als ungebildet oder ressentimentgeladen erscheinen lässt. Die plakative Gegenüberstellung von „leichtem Leben“ in Thailand und „Problemen“ in Deutschland wirkt manipulativ und ignoriert die Komplexität beider Lebensrealitäten.
Fazit: Der Artikel ist ein typisches Beispiel für die Berichterstattung der Bild-Zeitung: Er reduziert ein potenziell interessantes Thema – die Lebensweise und politischen Ansichten deutscher Expats – auf eine einseitige, klischeebeladene und vorurteilsbehaftete Darstellung. Statt differenziert zu informieren, bedient er Vorurteile über Rentner im Ausland und instrumentalisiert ihre Aussagen, um eine populistische Stimmung zu verstärken. Eine seriöse journalistische Auseinandersetzung sieht anders aus – hier geht es primär um Provokation und Auflage, nicht um Aufklärung.
Falls Vertreter des Springer Verlags an einer seriösen Berichterstattung über das Leben und Denken deutschsprachiger Expats in Pattaya interessiert sind, kann sich der Verlag gerne an uns wenden.
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Für Alle, die den Artikel (noch) nicht gelesen haben, hier ist ein Auszug (die Rechte daran liegen beim Springer Verlag):
“Pattaya (Thailand) – Immer 30 Grad, der Strand ist fast so nah wie das nächste Bierchen. Und Deutschland? Ganz weit weg. Rund 7000 deutsche Rentner leben in Pattaya, an Thailands Ballermann. Und: Viele von ihnen haben schon gewählt. Denn eine Meinung haben sie hier. Und ziemlich viel Wut.
Wohnungsnot, Ärztemangel, steigende Supermarktpreise: Die deutschen Rentner von Pattaya kümmern diese Sorgen nicht. Auch die Bildungsnot nicht. Ihre Kinder sind längst groß. Das Leben am Golf von Thailand ist leicht - und gut bezahlbar. Selbst eine knappe Rente reicht hier zum Leben, solange man „harte Euros“ hat. Dann lässt es sich in aller Ruhe am Strand liegen, das nächste Glas bestellen und über die Heimat schimpfen.
Es müsse endlich mal was gegen Ausländer gemacht werden, findet Melanie (62) aus Thüringen. Und nein, damit meint sie nicht die so vielen deutschen Rentner am Thailand-Strand, über die sich dort nicht jeder Einheimische freut. Melanie schimpft über Flüchtlinge in Deutschland: „Was die sich erlauben! Die sind bei uns zu Gast“, sagt sie. Nur hier in Thailand könne sie „die ganze Scheiße vergessen“.
Rentner Horst Thalwitzer (79) sieht das genau so. Die Regierung solle das Land „sauber machen“, sagt er. Kriminelle Ausländer sollten eben raus aus Deutschland. Er habe sich für die CDU entschieden, erzählt er den BILD-Wahlreportern am Stammtisch von Pattaya.
„Die müssen da jetzt mal aufräumen“, findet auch Rainer Schwarz (62). Er habe, so sagt er, mit beiden Stimmen AfD gewählt. So wie Karl-Heinz (67). Sein Freund Bobby, der aus Siegen (NRW) nach Pattaya kam, wähle CDU, sagt er.
Dann treffen die BILD-Wahlreporter Siggi. Er war mal Bergmann im Ruhrpott, hat damals aus ganzer Überzeugung SPD gewählt. „Früher war ich Sozi, aber die kannste ja nicht mehr wählen“, findet er. Er stimme jetzt lieber für die Farbe seines Lieblingsvereins: Blau wie Schalke 04.
Siggis Freunde Heiko (63) und Heike (69) aus Ingolstadt sind nur zu Besuch in Pattaya, sie haben noch ein Leben daheim in Deutschland: „Nur Meckern bringt nichts“, findet Heike. „Wählen ist wichtig.”
Und doch ist diesmal der Urlaub noch wichtiger. Bundestagswahl? Nein. Zum Wahlsonntag seien sie noch nicht zurück.“